Die digitale Gesundheitsförderung und Prävention im Kontext der Corona-Pandemie
Artikel zur Bachelorarbeit von Tina Kuhnert, Stand: 9.11.2023
Der Bereich der digitalen Gesundheitsförderung und Prävention rückt im Rahmen des demografischen Wandels immer mehr in den Vordergrund. Da die “Babyboom-Generation” in absehbarer Zukunft das Rentenalter erreicht, wird in den kommenden Jahren ein Mangel an Fachkräften in bereits unterbesetzten Branchen erwartet. Um die Versorgung der immer älter werdenden Gesellschaft sicherstellen zu können, gelangen eHealth-Dienstleistungen verstärkt in den Fokus der Forschung und werden zunehmend ein Teil therapeutischer und präventiver Maßnahmenplanungen.
Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sind digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) Medizinprodukte, die eine unterstützende Funktion in Bezug auf die Erkennung und Behandlung von Krankheiten aufweisen und auf dem „Weg zu einer selbstbestimmten gesundheitsförderlichen Lebensführung“ unterstützen. Sie fungieren als ein eigenständiger Lösungsansatz für Patienten, welcher sowohl ortsunabhängig, häufig kostenlos und effizient gestaltet werden kann.
Das Ziel der Bachelorarbeit ist, die Möglichkeiten und Grenzen digitaler Gesundheitsförderungs- und Präventionsdienstleistungen zu ermitteln. Dabei wurde die Covid-Pandemie als Referenzpunkt herangezogen, um Schlussfolgerungen für zukünftige digitale Anwendungen zu gewinnen. Erarbeitet wurden die Daten mittels systematisierter Literaturrecherche, in der sieben Studien untersucht und anhand von Gütekriterien beurteilt wurden, um einen Überblick über bereits eingesetzte, digitale Dienstleistungen zu geben.
Der Zuwachs an psychischen Problemen, primär bedingt durch die Covid-Pandemie, kann durch eHealth-Dienstleistungen sichtlich verbessert werden. Im Rahmen der Studie von Comtois et al. (2022) wird deutlich, dass sich eine digitale Intervention in Form einer App positiv auf das psychische Gesundheitsempfinden auswirkt. Durch tägliche Erinnerungen und ein tägliches Gesundheitstracking, kann so flexibel auf den Gesundheitsstatus eingegangen und jederzeit interveniert werden. Es konnten sowohl Depressionen als auch Angstzustände reduziert werden und das Schmerzerleben positiv beeinflussen. Ausschlaggebend für einen positiven Einfluss auf Depression und Angstzustände war die Häufigkeit der App-Nutzung im Zeitraum der Studiendurchführung.
Insbesondere jüngere Generationen können einfacher erreicht werden, da sie den Umgang mit sozialen Netzwerken täglich gewohnt sind. Auf der anderen Seite wird in der Studie von Schroeer et al. (2021) aufgezeigt, dass die „digitale Kluft“ eine zu erwähnende Grenze aufzeigt. Hierbei wird der mangelnde, gleichberechtigte Zugang zu digitalen Mitteln aufgegriffen, der durch das soziale Status-Gefüge beeinflusst wird und es einigen Bevölkerungsgruppen nicht möglich macht, Zugang zu digitalen Dienstleistungen oder dem Internet aufzubauen. Dahingehend fehlt jenen Bevölkerungsgruppen auch das notwendige Anwender-Wissen.
Auch die Planung und Organisation im stationären Setting können durch digitale Anwendung in Bezug auf Outcome und Effizienz verbessert werden. So können durch elektronische Dokumentationssysteme Visiten in Pflegeheimen effizienter geplant werden und auf Notrufe aus der Ferne reagiert werden. Das Pflegepersonal sieht das Niveau der individuellen technologischen Kompetenz als einen wichtigen prädisponierenden Faktor für den Umfang der Nutzung der Videokonferenz-Anwendung an. Um die technologische Kompetenz zu steigern, sollten Schulungen angeboten werden, um das Personal gegenüber eHealth-Dienstleistungen zu sensibilisieren. Trotzdem sollte der Verlust an persönlichem Kontakt als Qualitätsverlust in der medizinischen Versorgung betrachtet werden, da Diagnosestellungen oder Beratungen nicht in vollem Maße erfolgen können. (Plunger et al. 2021)
Weitere Erkenntnisse konnten durch die Studie von Katula et al. (2022) erlangt werden. In Bezug auf Diabetespräventionprogramme zeigen digitale Anwendung ebenfalls eine hohe Signifikanz. So konnte die in der Studie dargestellte Kontrollgruppe mithilfe digitaler Anwendungen nach 12 Monaten im Durchschnitt 5,5%, also 5,5kg, an Gewicht verlieren. Auch der HbA1c-Wert ist nach 12 Monaten um 0,23% bzw. 0,82mmol/mol gesunken. Die Forschungsgruppe schlussfolgert aufgrund der Ergebnisse eine klinische Risikoreduktion für Diabetes Mellitus Typ 2.
Entscheidend für das Outcome einer eHealth-Anwendung im stationären Setting, ist die klare Rollen- und Aufgabenverteilung: Je besser eine Anwendung auf die jeweilige Profession zugeschnitten ist, desto größer ist die Resonanz und Akzeptanz innerhalb des Teams (vgl. Bagot et al. 2019).
Durch die rasante Weiterentwicklung von künstlicher Intelligenz und Datenanalysetechnologien, kann im Bereich der Telemedizin, die Informationsverarbeitung effizienter durchgeführt werden, indem Muster vom System schneller erkannt werden. Dies kann bei der Diagnosestellung hilfreich sein und die Behandlungsplanung unterstützen.
Insgesamt verdeutlichen die aktuellen Entwicklungen die zunehmende Bedeutung digitaler Gesundheitsdienstleistungen für Pflegekräfte und Patienten. Insbesondere durch die Covid-Pandemie erlebten digitale Plattformen, Smartphone-Apps und die Fernberatung einen signifikanten Aufschwung und wurden integraler Bestandteil des Gesundheitssystems. Diese Dienstleistungen haben nicht nur das Potenzial, Copingstrategien zu vermitteln und das Selbstmanagement in stressigen Situationen zu stärken, sondern tragen auch zur Steigerung der Arbeitsleistung und Pflegequalität bei. Als präventive Maßnahme könnten sie zudem dazu beitragen, psychisch bedingte Krankheitsausfälle zu minimieren.
Für die kommenden Jahre ist zu erwarten, dass digitale Gesundheitsdienstleistungen weiterhin eine Schlüsselrolle spielen werden. Die kontinuierliche Integration innovativer Technologien, verbunden mit einem verstärkten Fokus auf die Zugänglichkeit für diverse Bevölkerungsgruppen, unabhängig vom sozialen Status, wird entscheidend sein. Dabei gilt es, den Einsatz dieser Dienstleistungen so zu gestalten, dass sie nicht nur effektiv, sondern auch gerecht sind.
Es Zeichnet sich ein vielversprechender Weg ab. Eine fortschreitende Digitalisierung im Gesundheitswesen könnte somit dazu beitragen, eine umfassende, hochwertige und zugleich zugängliche Patientenversorgung zu gewährleisten.
Literaturverzeichnis:
Comtois, K. Mata-Greve, F., Johnson, M., Pullmann, M., Mosser, B. & Arean, P. (2022). Effectiveness of Mental Health Apps for Distress During COVID-19 in US Unemployed and Essential Workers: Remote Pragmatic Randomized Clinical Trial. Jmir mhealth and uhealth, 10(11), e41689. https://doi.org/10.2196/41689
Katula J., Dressler E., Kittel C., Harvin LN, Almeida FA, Wilson KE, Michaud TL, Porter GC, Brito FA, Goessl CL, Jasik CB, Sweet CMC, Schwab R, Estabrooks PA (2022). Effects of a Digital Diabetes Prevention Program: An RCT. Am J Prev Med; 62(4):567-577. doi: 10.1016/j.amepre.2021.10.023.
Plunger P., Eitenberger M., Kletecka-Pulker M., Wochele-Thoma T., Klager E., Ruf A., Eibensteiner F. (2021). Using telemedicine in nursing homes during the COVID-19 pandemic: A multi-perspective view on the implementation process. Nurs Open; 9(2):1155-1163. doi: 10.1002/nop2.1155.
Schroeer C, Voss S, Jung-Sievers C, Coenen M. (2021). Digital Formats for Community Participation in Health Promotion and Prevention Activities: A Scoping Review. Front Public Health. 16;9:713159. doi: 10.3389/fpubh.2021.713159. PMID: 34869143; PMCID: PMC8634959.