Motivationen, Erwartungen und Belastungsfaktoren von Studierenden eines pri-märqualifizierenden Pflegestudiengangs nach Einführung des Pflegeberufegesetzes
Artikel zur Bachelorarbeit von Lina Neumann, Stand: 9.11.2023
Seit der Reform des Pflegeberufegesetzes (PflBG) im Jahr 2020 haben sich einschneidende Veränderungen in der Struktur der primärqualifizierenden Pflegestudiengänge ergeben. Eine der bedeutendsten Auswirkungen besteht in der Neugestaltung der Finanzierung, die vorherige Kooperationen mit Gesundheitsschulen obsolet gemacht haben. Infolgedessen erhielten Studierende keine reguläre Vergütung mehr, was auf erhebliche Auswirkungen ihrer Motivation und Belastungsfaktoren während des Studiums vermuten lässt.
Aufgrund dessen wurde innerhalb dieser Bachelorarbeit eine quantitative, deskriptive Querschnittstudie mittels standardisierter, strukturierter Fragebögen von 30 Studierenden innerhalb eines dreiwöchigen Erhebungszeitraums durchgeführt. Angesichts der gesellschaftspolitischen Debatte über die Attraktivität des Pflegeberufs war es von besonderem Interesse, die Beweggründe für eine Aufnahme eines Pflegestudiums zu beleuchten. Hierbei wurden die Motivationen und Erwartungen für die Aufnahme eines primärqualifizierten Pflegestudiums nach der Einführung des PflBG analysiert. Gleichzeitig wurde nach Belastungsfaktoren gefragt, die sich während des primärqualifizierenden Pflegestudiums ergeben haben.
Die Ergebnisse zeigten, Motivationen und Erwartungen für das Pflegestudium umfassen unter anderem den Wunsch, anderen zu helfen (60.0 %), praktisch tätig zu sein (60.0 %), einen internationalen Abschluss zu erlangen (83.3 %), die Möglichkeit der Weiterqualifizierung (73.3 %) und in verschiedenen Kontexten zu arbeiten (60.0 %). Teilweise wurden gute Arbeitsbedingungen (36.7 %) und intensive Betreuung durch Dozierende (36.7 %) erwartet. 53.3 % der Studierenden erwarten eine Vergütung während der Praxisphasen und einen höheren Status durch den akademischen Abschluss (60.0 %).
Belastungsfaktoren umfassen unter anderem mangelnde Praxisanwendbarkeit der Theorie (56.7 %) und Schwierigkeiten bei der Praktikaorganisation (86.4 %). Viele Studierende denken immer häufiger über einen Studienabbruch aufgrund der Arbeitsbedingungen nach (36.4 %). Nebentätigkeiten werden von 86.7 % der Studierenden als zusätzliche Belastung empfunden. Zudem erhalten 43.3 % keine Vergütung während der Praxisphasen, was sich bei 80.0 % negativ auf die Motivation zur Studienaufnahme auswirkt.
Die gewonnenen Erkenntnisse unterstreichen die dringende Notwendigkeit, Maßnahmen zur Entlastung der Studierenden zu ergreifen. Insbesondere die finanzielle Lage der Studierenden muss verbessert werden, da die fehlende Vergütung in den Praxisphasen die Motivation zur Aufnahme des Studiums negativ beeinträchtigt. Ferner sollten verstärkt Unterstützungsangebote für die Organisation der Praktika angeboten werden. Die Motive für die Aufnahme eines Pflegestudiums sind nach der Einführung des PflBG vorwiegend gleichbleibend. Die Stärkung der intrinsischen Motive bleibt vor diesem Hintergrund von großer Wichtigkeit, um die Akademisierung in Deutschland voranzutreiben.
Als Empfehlungen werden eine effiziente Praktikumsplatzvermittlung über Online-Plattformen und die Prüfung finanzieller Unterstützungsmöglichkeiten, wie die Wiedereinführung des dualen Pflegestudiengangs mit einer adäquaten Vergütung, ausgesprochen. Eine weitere Empfehlung ist die Schaffung einer bundesweit aktiven Organisation, die die Interessen der Pflegestudierenden in politischen Diskursen im Gesundheits- und Bildungsbereich vertritt und als Ansprechpartner für Bildungseinrichtungen und politischen Entscheidungsträgern fungiert.
Nach Beendigung der Bachelorarbeit hat der Bundestag am 19. Oktober den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung (Pflegestudiumstärkungsgesetz), zu Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften in 2./3. Lesung beschlossen. Danach erhalten Studierende in der Pflege künftig für die gesamte Dauer ihres Studiums eine angemessene Vergütung. (Bundesministerium für Gesundheit, 2023)
Das zukünftige Format der Pflegeausbildung an Hochschulen sieht vor, dass es als duales Studium konzipiert wird. Dies impliziert, dass Studierende, die eine akademische Pflegeausbildung aufnehmen, eine Ausbildungsvereinbarung mit einem Träger des praktischen Ausbildungsteils abschließen. Zur Sicherstellung der Finanzierung soll der Träger aus einem speziellen Ausgleichsfonds unterstützt werden. (Müller, o. D.)
Es bleibt nun abzuwarten, ob sich das Pflegestudiumstärkungsgesetz erfolgreich etablieren wird. Eine dringende Notwendigkeit besteht darin, zeitnah zu evaluieren, ob das Gesetz die Belastungsfaktoren der Pflegestudierenden nachhaltig reduziert. Zusätzliche wissenschaftliche qualitative Erhebungen sind erforderlich, um flexibel auf die Bedürfnisse der Pflegestudierenden reagieren zu können und die Akademisierung von in Deutschland nachhaltig zu fördern.
Literaturverzeichnis:
Deutscher Bundestag. (2023, 08. November). Ausbildungsvergütung für Pflege-Studenten soll verbessert werden. Deutscher Bundestag. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw38-de-pflegestudium-965100
Bundesministerium für Gesundheit (2023, 19, Oktober). Reform der Pflegeausbildung: Studierende erhalten künftig Vergütung [Pressemitteilung]. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/reform-der-pflegeausbildung-bt-191023.html
Müller, V. (o. D.). Deutscher Bundestag – Bundestag stimmt für die Reform des Pflegestudiums. Deutscher Bundestag. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw42-de-pflegestudiumstaerkungsgesetz-971392